50. Usbekistan

Nachdem wir eingestempelt sind, müssen wir all unser Gepäck durchs Sicherheits-Fliessband lassen. Aber wir haben nichts interessantes dabei und so können wir rasch weiterradeln. Auch diesseits der Grenze winken uns die Kinder am Strassenrand fröhlich zu. Leider müssen wir gleichzeitig Schlagloch-Slalom fahren, aber wenigstens hält sich der Verkehr in Grenzen. Am Strassenrand finden wir ein kleines Restaurant und zur Feier des Tages schenkt uns der Wirt gleich noch eine Flasche Granatapfelsaft für den Weg. Zum ersten mal seit längerem und wohl zum letzten mal für eine lange Zeit ist es „kurze Hosen“-Wetter.

Am Abend windet es heftig und überzieht alles mit einer Wüstenstaubschicht. Am nächsten Tag haben wir seit langem wieder einmal Regen und geniessen einen gemütlichen Tag in Samarkand und das vielseitige Angebot an koreanischem Essen, leckere Pizza, Pasta und eine grosse Auswahl an Torten. Auch wenn wir schon ein paar Bilder des Registans in Samarkand gesehen haben, staunen wir über die Schönheit des prächtigen Platzes und die eindrücklichen Medressen (islamischen Schulen) und Moscheen.

Von Samarkand geht es entlang der alten Seidenstrasse weiter nach Buchara. Die Landschaft ist flach und die Baumwoll-Felder werden langsam durch die Wüste ersetzt. Unterwegs kommen wir an einem schönen Keramikmuseum vorbei. Leider ist der Übersetzer an dem Tag nicht anwesend, aber ein Dankesbrief von Hillary Clinton besagt, dass sogar die ehemalige First Lady der USA vom Keramiker und Museumsbesitzer beschenkt wurde.

Nun wollen wir kräftig in die Pedalen treten um noch vor Sonnenuntergang in Buchara einzufahren. Bei einem „kurzen“ Halt in einem Café, wissen wir allerdings nicht wie uns geschieht und schon werden wir Mitten in eine Festgesellschaft gezogen. Wie es sich herausstellt, ist es ein Klassentreffen mit viel Essen, Getränken und Tanz. So schnell kommen wir also nicht wieder los. Die Feiernden bedienen uns mit den Köstlichkeiten und ziehen uns auf die Tanzfläche. Schliesslich können wir uns aber doch losreissen und werden noch mit viel Proviant versorgt. Nach Buchara ist es zum Glück nicht mehr weit und wir finden kurz nach Eindunkeln eine gemütliche Familienbetriebe Herberge in der schönen Altstadt. Da sie heute keine Gäste mehr erwartet haben, wollen sie gerade für sich Abendessen kochen – und laden uns auch dazu ein. Definitiv satt fallen wir ins Bett!

Buchara, in einer grossen Oase gelegen, war eine wichtige Handelsstadt an der Seidenstrasse und gilt bis heute als eines der wichtigsten Handelszentren in Zentralasien. Beeindruckt von der Geschichte und den zahlreichen Sehenswürdigkeiten schlendern wir durch die Altstadt.

Ein paar Kilometer nach Buchara beginnt die Wüste so richtig. Alle paar 40-100 Kilometer gibt es eine Tankstelle oder Art Raststätte, aber sonst hat es nicht viel ausser Sand und kleinen Gebüschen. Mit der Zeit wird das Radfahren fast meditativ und die Träume in der Nacht intensiver.

Etwa 320 Kilometer und 10 Kurven später wird die Landschaft wieder grüner, dichter besiedelt und fleissig bewirtschaftet. Wir erreichen die nächste Oase mit Xiva in ihrer Mitte. Auch Xiva war eine wichtige Handelsstadt mit bewegter Geschichte und wichtiges Zentrum des Sklavenhandels. Heutzutage ist die Altstadt von Xiva eine Museumsstadt und wird von der gut erhaltenen und wieder aufgebauten Stadtbefestigung begrenzt.

Die ersten paar Kilometer nach Xiva ist das Land noch etwas bebaut, danach heisst es wieder Wüste. Nachdem wir eine Brücke überquert haben, sehen wir schon von weitem auf einem Hügel einen „silent Tower“ – auch hier war Land der Zarathustrier und in den Turm haben sie ihre Leichname gebracht, damit die Vögel die Knochen säubern konnten.

In Nukus können wir dank „Warmshowers“ bei Julian, seiner Freundin Nora und ihren Haustieren wohnen. Der Deutsche und die Niederländerin arbeiten für Nichtregierungsorganisationen in Usbekistan und freuen sich jeweils über ausländischen Besuch. Nukus ist vor allem wegen seines grossen Kunstmuseums mit Russischer Avantgarde Kunst bekannt. Ein Künstler aus der Sowietzeit hat das Museum 1966 gegründet und damit unter anderem die Witwen einiger der damals verfolgten Künstler finanziell unterstützt.

Danke Julian und Nora!

Von Nukus Richtung Nordwesten hat es noch einige kleine Ortschaften. Entlang des Weges finden wir sogar ein 90er Jahre Museum – mit Kassettengeräten, alten Radios und Telefonen. Eine lustige Sammlung mit einem warmen Café. Die Angestellten freuen sich über unseren Besuch, laden uns ein und wollen Fotos mit uns machen. Am Abend erreichen wir Kungrad, von wo aus einige Touristen einen Ausflug zum Aralsee (oder dem was noch davon zeugt) machen. Wir entscheiden uns gegen einen Ausflug zur Wüste, da wir sowieso genug Wüste haben.

Im 90er Jahre Museum

Während wir in Nukus waren, hat ein Kälteeinbruch eingesetzt und die Temperaturen erreichen seit einigen Tagen nicht mehr als -2 Grad. Wir packen uns warm ein und planen so, dass wir jeden Abend eine Unterkunft/trucker stop erreichen können (diese sind hier mindestens 100 Kilometer voneinander entfernt), denn ein Problem bei der Kälte ist das Wasser, welches sich im Getränkehalter am Fahrrad innerhalb kürzester Zeit in Eis verwandelt und somit nicht mehr schnell getrunken werden kann. Das eine Hotel welches wir anpeilen, kann uns leider nicht aufnehmen. Aber zum Glück telefoniert die freundliche Frau am Empfang rum und so können wir schliesslich in einem Esszimmer eines Restaurants auf den gepolsterten Bänken schlafen.

Nachtlager

Am nächsten Tag geht es weiter durch die kalte Wüste. Kälte und Wind lassen keine längeren Pausen zu (obschon Christof jetzt Wasserflaschen unter dem Pullover trägt damit es nicht gefriert, lädt das Wetter nicht dazu ein alle Schichten auszuziehen um an das Wasser zu kommen) und bis wir wieder ein Haus (welches zum Glück auch Hotel ist) sehen, müssen wir 108 Kilometer radeln. Am nächsten Morgen sind wir unsere Fahrräder am beladen, als wir ein grosses Tohuwabohu bemerken. Die Leute rennen herum und nun bemerken wir auch den schwarzen Rauch der aus den Hotelfenstern kommt. Schnell holen wir die letzten Sachen aus unserem Zimmer. Glücklicherweise können wir alles rechtzeitig retten, denn im Gang ist inzwischen dichter, schwarzer Rauch. Ein paar Leute stehen ratlos rum und wir entscheiden, dass wir leider nichts machen können um zu helfen.

Da die heutige Strecke zum nächsten Hotel 160 Kilometer ist und wir inzwischen kalt haben, treten wir kräftig in die Pedale. Glücklicherweise haben wir seitlichen Rückenwind. Die Strasse ist holprig und löchrig und wir müssen sie mit Lastwagen und Autos teilen. Parallel dazu wird eine neue Strasse gebaut – noch nicht ganz fertig und daher nicht eröffnet, aber für Fahrräder befahrbar. Leider haben die Bauarbeiter „Hürden“ eingebaut, damit die Strasse nicht von den schweren Lastwagen benutzt wird, aber uns können sie nicht abhalten. Inzwischen hat leichter Schneefall eingesetzt und die Schneeflocken tanzen mit uns auf der neuen, unfertigen Strasse. Die wenigen Bauarbeiter entlang der Strasse winken uns ungläubig zu.

So erreichen wir die kasachische Grenze bei Dunkelheit. Nach einigermassen erfolgreicher Hotelpreisverhandlung, sind wir froh nicht Lastwagenfahrer zu sein. Diese schlafen in einer langen Kolonne in ihren Führerkabinen.

Am Morgen dürfen wir an all den Lastwagenfahrern vorbei und werden schnell abgefertigt. Unser Gepäck wird nochmals geröntgt, dann lassen sie uns wieder in die Kälte.

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  1. Andreas sagt:

    Vielen Dank für die wunderschönen Bilder mit den eindrücklichen Moscheen und der weiten Landschaft.
    Weiterhin gute Fahrt

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