55. Albanien

Der albanische Grenzbeamte nickt, nimmt unsere Pässe, gibt sie zurück und nickt noch einmal. So ein wortkarger Grenzübertritt hatten wir wohl noch nie. Sofort nach der Grenze fällt uns auf, dass wir jetzt in Albanien sind. Die grosse Flagge mit Goldsaum ist natürlich ein Indiz, aber noch auffälliger sind für uns die Autos – egal wie alt oder in welchem Zustand, Hauptsache Mercedes. Während wir auf den ersten paar Kilometern zum Meer hinabrollen, erstellen wir eine kleine Statistik und kommen auf 39 Mercedes zu 32 Autos anderer Hersteller. Die Strasse wechselt zwischen sehr gut, bis Feldweg mit riesigen Schlaglöchern. Auf unserer Karte ist jedoch nicht ersichtlich, welche Art Strassenbelag zu erwarten ist. Später erfahren wir, dass die vor allem früher sehr schlechten Strassen, auch ein Grund für die vielen Mercedes sind, da man bei schlechten Stassen eben ein gutes Auto braucht. Zum Glück haben wir top Fahrräder und so haben wir auch kein Problem Butrint zu erreichen. Mit einem lustigen, von einem alten Lastwagenmotor an einem Stahlkabel gezogenen Floss überqueren wir den Vivar-Kanal vor Butrint, fahren aber gleich weiter da es schon bald dunkel wird.

Die Ausgrabungsstätte Butrint besuchen wir am nächsten Tag in aller Ruhe. Dem Mythos nach hat der trojanische Prinz, Helenos, nach seiner Flucht aus dem brennenden Troja die Stadt als neues Troja gegründet. Sicher ist zumindest, dass dieser Ort seit über 3000 Jahren als Siedlung und Festung diente und sowohl unter den Griechen, Römern wie auch den Byzantinern verschiedene Blütezeiten hatte und später auch von den Osmanen und Venezianern genutzt wurde.

Von der Küste radeln wir nach ein paar Kilometern über eine kleinere Strasse durch ein Flusstal ins Landesinnere zum „blauen Auge“ – einer wunderschönen Quelle. Aus dem Boden sprudeln 6000 Liter Wasser pro Sekunde, was die Quelle zur wasserreichsten des Landes macht. Da es so schön ist, beschliessen wir unser Zelt in der Nähe aufzuschlagen.

Am nächsten Morgen nehmen wir die restlichen Höhenmeter zur Passhöhe und runter nach unter die Räder. Gjirokaster liegt in einem weiten Flusstal mit hübschen Dörfern an den Berghang gebaut. Unten im Tal zeugen viele Bunkeranlagen von der kommunistischen Ära Albaniens. Über 200‘000 solcher Bunker sind über das ganze Land verteilt und zeugen von der Paranoia Hoxhas.

Die Altstadt von Gjirokaster mit der eindrücklichen Festung ist Weltkulturerbe und noch heute ein wichtiges kulturelles Zentrum in Albanien.

Von Gjirokaster geht es zuerst auf asphaltierten Strassen durch Flusstäler, bevor wir auf einen holprigen Feldweg in die Berge abbiegen. Steil geht es bergauf. Da die Strasse nach dem Regen der letzten Nacht sogar für die Mercedes zu schlecht ist, hat es kein Verkehr und so können wir die Fahrräder wenn nötig gemächlich den Berg hochschieben. Es hat ein paar wenige kleine Dörfer, sehen tun wir aber vor allem Ziegen, Schafe und deren Hirte. So werden wir auch nach der Nacht im Zelt auf halbem Aufstieg von einer Ziege freundlich beim Frühstück begrüsst. Bei leichtem Nieselregen erklimmen wir den höchsten Punkt und finden eine „Gartenbeiz“ wo wir mit selbstgemachtem Schnaps begrüsst werden und ein zweites Frühstück aus frischen Sachen aus dem Garten, Spiegeleiern und türkischem Kaffee geniessen. Während wir essen, drückt die Sonne durch und unsere Abfahrt zur Osumi Schlucht wird von einem eindrücklichen Regenbogen erhellt.

Unten im Tal haben wir wieder Asphalt unter den Rädern und düsen durch das wunderschöne Flusstal des Osum Flusses nach Berat – ebenfalls UNESCO-Welterbe.

Wir besuchen die schönen Altstadt-Quartiere und die imposante Festung oben auf dem Fels und geniessen einen Pausentag bei Regen. Bei der Weiterfahrt hoffen wir auf besseres Wetter, werden aber leider doch von einem Regenschauer eingeholt und finden gerade noch rechtzeitig ein Dach mit Kaffee.

Am Abend erreichen wir Lushinje, für uns die Stadt der Zahnärzte. Noch nie haben wir eine Stadt mit so vielen Zahnarztpraxen gesehen. So erstaunt es nicht, dass die Unterkunft, welche wir ansteuern von einer Zahnklinik komplett gebucht wurde. Eine Woche Ferien im Hotel und die neuen Zähne gibt es als Souvenir gleich dazu. Da wir aber gerade keine neuen Zähne brauchen, müssen wir weiter suchen und werden zum Glück doch noch fündig.

Nun haben wir die albanischen Höhenmeter hinter uns und düsen durch das Flachland ans Meer nach Durres und direkt weiter in die Hauptstadt Tirana. Auf dieser Strecke hat es viel mehr Verkehr, aber es gibt neben der grossen Hauptstrasse meist eine kleinere Nebenstrasse, welche zwar teilweise Schlaglöcher hat, dafür fast keine Autos.

In Tirana wandeln wir etwas auf den Spuren des kommunistischen Überwachungsstaates und besuchen eine alte Bunkeranlage sowie ein Museum dazu.

Von Tirana weiter nehmen wir zuerst die Hauptstrasse, welche sich streckenweise plötzlich in eine Autobahn, zum Glück mit breitem Pannenstreifen, verwandelt und dann wieder in eine Schnellstrasse zurück. Schliesslich finden wir dann doch eine schöne Nebenstrasse praktisch ohne Verkehr, welche sich durch kleine Dörfer und Felder einem Felsen entlang schmiegt. Die Leute winken uns freundlich zu.

Nach einem Blick auf die Wettervorhersage, entscheiden wir uns in Shkodra eine Unterkunft für zwei Nächte zu mieten und machen uns einen gemütlichen Tag während es draussen kräftig regnet und stürmt.

Nun ist es nicht mehr weit zur Grenze und bei Sonnenschein fahren wir die letzten paar Kilometer in Albanien. Beim kleinen Grenzposten überreichen wir dem Mann die Pässe, und ohne sie uns zurückzugeben, schickt er uns zum nächsten Fenster.

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